Das Dilemma mit der Folterandrohung im Fall Gäfgen




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Beitragvon Gast Meer » 12.07.2008, 10:38

Hi Coco,

ich hätte besser dazusagen sollen ..... (Ich denke halt, dass über solche schwierige und unangenehme Themen dennoch weiterhin diskutiert werden muss) .... nur nicht jetzt und unbedingt zu diesem Thema, aber generell schon.

Und ich finde, dass unsere Diskussion hier nichts mit dem damaligen Verhalten im PL-Forum zu tun hat und sie auch unter anderen Voraussetzungen stattfindet, die mir jedenfalls wesentlich angenehmer sind.

Zum Loslassen ist ja auch erst mal ein vorausgehendes Bewusstsein nötig, um zu sehen, was ich nicht mehr brauche und wie will ich das wissen ohne Ein- und Ansicht?

Bleib du nur ganz gelassen, denn ich glaube nicht, dass ich mit miljas noch einmal aneinander gerate und genieße das Wochenende,

Grüße Meer
Gast Meer
 

von Anzeige » 12.07.2008, 10:38

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zum Thema Folter

Beitragvon Chord » 12.07.2008, 12:23

Hallo, ich habe auch bis gestern abend (die heutigen Beiträge noch nicht) die Diskussion aufmerksam verfolgt, momentan aber nach wie vor Zeitmangel. Mir ist gestern ein Text untergekommen (hab aber auch nur überblicksweise reingeschaut), der ziemlich gut zu der Diskussion hier passt:

Lenzen: Folter und Menschenwürde

Es stehen auch viele Gesichtspunkte drin, die hier in der Diskussion bereits vorkamen.

Liebe Grüße,

Chord
Chord
 

Beitragvon miljas » 13.07.2008, 12:23

Hallo,

@Meer:
es mag sein, daß die Diskussion weitergehen wird.
Die Juristen sind sicher in einer nicht so beneidenswerten Lage, ihre Entscheidungen immer auf der Grundlage von Gesetzen hauptsächlich begründen zu müssen. Und wenn man dann an heikle Punkte kommt, dann muß man entscheiden - ohne "Gebrauchsanweisung". In einem gewissen Grade mag ja die theoretische Erörterung dann auch gerechtfertigt sein, jedoch bleibe ich der Meinung, daß man die Polizei grundsätzlich fern halten sollte von Folter und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Es wäre besser, all diese Denkenergie dafür einzusetzen, wie die Polizei mit möglichst intelligenten Mitteln dennoch zu dem vorgegebenen Ziel kommen kann, Menschenleben zu schützen und zu retten.
Ich sagte es schon weiter oben - man müßte den ganzen Ermittlungsvorgang von hinten bis vorne auf Herz und Nieren prüfen, nicht um der Polizei an irgend einer Stelle ein Versagen in der Ermittlungsarbeit nachzuweisen, sondern um künftig auch mit derartigen Tätern besser umgehen zu können. Für mich ist zum Beispiel auch unbefriedigend, daß die Polizei bis zur Lösegeldübergabe angeblich keine Hinweise auf den möglichen Täter fand. Das waren immerhin 2 Tage und es stellte sich ja dann heraus, daß er ein Bekannter der Familie war.

Was den Druck auf die Polizei und Daschner angeht - sicher gab es den. Aber sicher mehr von oben oder von den Medien. Wenn man sich das Video über das Bankhaus ansieht, in der die Eltern des ermordeten Jakob auftreten (natürlich in einer anderen Situation, aber wie mir scheint, ihr Wesen nicht verstellend), dann kann ich mir nicht vorstellen, daß sie selbst einen besonders großen Druck gegenüber der Polizei ausgeübt haben. Mir erscheinen diese Menschen sehr warmherzig und ausgeglichen - ich kann mir nicht vorstellen, daß sie ihre besondere Position im Leben der Stadt Frankfurt gegenüber der Polizei geltend gemacht haben. Ich las auch irgendwo, daß die Beamten das gefaßte Verhalten der Familie von Metzler beim Überbringen der Nachricht vom Auffinden der Leiche als bewunderungswürdig bezeichneten. Nein, das war wahrscheinlich Daschners eigene Sichselbstunterdrucksetzung und Ingnoranz der Meinung seiner Mitarbeiter.

Und zur Fortführung der Diskussion - es gibt da ganz allgemein Entwicklungen, die nicht so erfreulich sind. Nämlich daß wir alle immer mehr unter Generalverdacht fallen, ganz gleich wie gesetzeskonform wir uns benehmen. Wenn ich zum Beispiel höre, daß in Sachsen ein Sexualsträftäter nach der größten DNA-Testung gefaßt wurde, dann ist es natürlich erfreulich, daß der Mann jetzt nicht mehr unbekannt ist. Aber wie weit wird es denn noch führen, daß ich meine Unschuld beweisen muß? Was wird eigentlich mit den erhobenen Daten? Werden die nun automatisch alle vernichtet, oder bewahrt man sie nun gleich aus Kostenersparnisgründen für die nächsten Vorkommnisse auf.
Ab und zu sehe ich Polizei an der Endhaltestelle der S-Bahn, und dann hoffe ich immer, daß ich möglichst keine Ähnlichkeit mit einem Gesuchten habe. In Thüringen ist vor etwa 10 Jahren ein Wanderer erschossen worden. Er war in einem Hotel abgestiegen, das Hotel informierte die Polizei, weil man einen Gesuchten meinte erkannt zu haben und ein Polizist schoß durch die Tür. Sicher keine Alltäglichkeit - ist schon ganz angenehm, daß ich nicht der Wanderer war...

@Coco
Um ein "Aneinandergeraten" geht es mir nie, weder hier noch anderswo.
Wenn es so wäre, dann hätte ich mich hier zu diesem Thema mit Meer auch gar nicht so sachlich ausgetauscht. Außerdem habe ich in der Diskussion und in der bisherigen Beschäftigung mit diesem Fall jetzt einiges selbst besser verstehen können, worum es eigentlich geht (ein spektakulärer Kriminalfall berührt ja immer die Gemüter, aber hier war und ist mehr im Spiel).


@Chord
Danke für den Hinweis auf das Schriftstück. Das muß man sich natürlich mehrere Male quasi studierend durchlesen, um alles zu begreifen, was gesagt wird. Am Ende ist das aber alles ziemlich theoretisch.
Da wird auch immer nur über das "Grundsätzliche" gesprochen, das Moralphilosophische, was denn nun zum Beispiel genau Würde sei. Aber die Frage, wie die Polizei praktisch derartige Fälle besser lösen kann, ohne Folter einzusetzen, das steht überhaupt nicht im Raum. Man macht halt einen auf Philosophie (o.k. - nichts gegen Philosophie, aber beim Überfliegen habe ich auch nichts darüber gefunden, was denn nun zum Beispiel mit einem Menschen geschieht, der Schmerzen ausüben soll in "Rettungsverhören" - und beim Fazit graut es mir doch sehr, was der Herr Professor von sich gibt).

übrigens - dieses mehr adressiert an toggle: der Professor Merkel ist sehr eloquent und kommt sympathisch rüber - insofern ist er natürlich brilliant - aber ich habe mir das Interview genau angehört.
Merkel ist schon allgemein der Meinung, daß man zur Folter greifen kann in solchen Fällen. Und daß Leute in derartig einflußreichen Positionen in diese Richtung zeigen, das finde ich völlig unakzeptabel. An einer Stelle im Interview ließ der Professor aber durchblicken, daß er an seiner Argumentation und Befürwortung zweifelt. Das war ein guter und der wesentliche Moment - da kommt auch bei mir die Hoffnung hoch, daß auch dieser Mensch noch nicht ganz verloren ist.

Grüße zum Sonntag
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Beitragvon Gast Meer » 14.07.2008, 07:42

liebe Leser,

also ich komme da im Moment nicht weiter, wie etwas zu bewerten und zu entscheiden ist, denn nach dem Lesen der pdf von Chord bin ich zunehmend verunsicherter und ich kann auch nur hoffen, nicht in diese Mühlen zwischen Justiz und Moralaposteln zu geraten, die sich selbst untereinander noch nicht einig sind.

Mir kommt es fast so vor, wie die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Beweiskraft und dem, was noch nicht wissenschaftlich beweisbar, aber dennoch wirksam ist und ich denke mir tut es heute gut mich mit meinem Garten zu befassen, der nun endlich nach ein paar Schauern mal wieder etwas erfrischter ist.

herzliche Grüße Meer
Gast Meer
 

@Meer

Beitragvon Coco » 14.07.2008, 11:23

Liebe Meer,
das ist bestimmt die beste Entscheidung, den Garten zu genießen.
Danke, dass Du uns auch diese scheinbar unwichtige Entscheidung mitgeteilt hast.
Liebe Grüße,
Coco
:t227:

PS: Auch ich will gleich in den Garten rollen und ärgere mich nicht darüber, dass ich nicht arbeiten kann und das "Unkraut" sprießen lassen muss.
Coco
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Beitragvon miljas » 14.07.2008, 18:19

Hallo noch einmal,

ich werde dazu aus Zeitgründen jetzt auch nichts weiter schreiben können (das sagte ich ja bereits letzte Woche), obwohl ich immer neue und interessante Sachen zur Thematik "Polizei und Bürger" entdecke.

Heute hat in meinem Kopf etwas Gestalt bekommen, was mir von Anfang an diffus dort herumgeisterte, als ich davon sprach, man müsse sich etwas einfallen lassen. Wie wäre es denn damit?:

Also, wie gesagt - dieses Theoretisieren bringt am Ende nichts.
Entweder man ist gegeh Folter, und zwar uneingeschränkt, oder man ist es nicht.
Dieses Herumgeeire von Otto-Normalverbrauchern, und von den professoralen Koryphäen aus der Wissenschaft, und von höheren Staatsbeamten, ist unerträglich.

Wenn die Polizeireporterin Andrea Lochte eine solch herzerweichende Geschichte verfaßte (siehe: Lenzen... S.4 ), in der sie beschreibt, in welcher Bedrängnis sich der stellvertretende Polizeipräsident Daschner am Morgen des 2. Oktober 2002 befand (angeblich soll er schon kurz vor 5 Uhr im Präsidium gewesen sein, in der Pressemitteilung zum Gerichtsurteil im Fall Daschner steht, daß er erst 6.30 Uhr dort eintraf - wann war er denn nun da?), dann hätte ich jetzt einen konkreten Vorschlag, wie Daschner vielleicht - auch ohne Folterandrohung - sehr effektiv hätte weiterkommen können.

Der Polizeipsychologe S. hatte erkannt, daß Gäfgen furchtbar geldgeil war - um das einmal etwas drastisch auszudrücken. In der Sache ist es sicher zutreffend, wenn man bedenkt, daß Gäfgen eine Million Euro erpresste und sie sofort für Auto und Reise zu verjubeln begann. Nun hätte Herr Daschner sich sagen können: "Gut, das Kind und die Rettung seines Lebens ist mir das Wichtigste. Gäfgen foltern und ihm Folter androhen - das darf und will ich nicht. Dann nehme ich eben meine eigenen 100.000 Euro Ersparnisse und gehe zu Gäfgen und biete ihm einen Deal an - meine 100.000 Euro für das lebende Kind." (Der Wert ist jetzt einfach fiktiv.) Ein schriftlicher Vertrag hätte im Expresstempo erfolgen können, unter notarieller Aufsicht oder in Anwesenheit eines Polizeijustitiars (wenn man bei der Polizei Ärzte hat, dann wird man dort sicher im Präsidium auch einen Justitiar haben oder einen Notar mit Blaulicht holen können). Und Gäfgen hätte seinen Notdienst-Anwalt rufen lassen können.

"Bitte Gäfgen, hier ist der Vertrag über die Zahlung - und nun raus mit der Sprache, wo das Kind ist."

Dann hätte ich den Gäfgen sehen wollen, was der dann gemacht hätte. Wahrscheinlich wären ihm erst einmal die Kinnladen heruntergeklappt, weil er natürlich auch hätte erkennen müssen, das seine Dreistigkeit durchaus zu überbieten ist. Es kann natürlich auch sein, daß der Kerl dann 200.000 verlangt hätte. Aber das hätte sicher ein 42-Jahre-gedienter Polizist wie Daschner dem Gäfgen klar machen können, daß er sich ein wenig in seinen Ansprüchen mäßigen muß .
Daschner wäre dabei kein Risiko eingegangen. In dem Falle, daß das Kind nicht mehr lebte, hätte er nicht zahlen müssen. Und im anderen Falle hätte er mit ziemlicher Sicherheit von der Familie Metzler dieses Geld erstattet bekommen.

Unvorstellbar?
Wäre das strafbar gewesen?

Man muß doch Kriminelle mit ihren eigenen Mitteln und Schwächen schlagen.
Sicher, wenn sie mit einer Knarre herumballern, muß man zurückballern.
Aber wenn sie bauernschlau dreist im Verhörraum sitzen, dann muß man sie mit derartigen Mitteln aufs Kreuz legen.

Daschner mag ein vielleicht überdurchschnittlich guter Beamter sein - pünktlich, fleißig, einsatzbereit. Aber er ist wahrscheinlich ziemlich fantasielos, daß er nur noch auf die Idee kam, Gäfgen foltern zu lassen. Und mit der Strafe dafür - na jetzt mußte er tatsächlich Geld bezahlen! Eine Geldstrafe - das war das Minimum an möglichem Strafmaß, was das Gesetz dafür vorsah. Und er wurde versetzt, wurde aber wieder Chef von über 300 Leuten. Ich hätte ihn weiter als Polizeipräsidenten arbeiten lassen, wenn er sich von alle dem distanziert hätte. Hat er aber wohl nicht, meckert immer noch auf das Gerichtsurteil und auf seinen Innenminister-Chef (war der überhaupt sein Chef - war es nicht die Frankurter Oberbürgermeisterin?, wahrscheinlich waren die beide zusammen seine Chefs, der eine befahl, die andere zahlte, und Personalentscheidungen treffen sie zusammen).

Und wenn Daschner das Geld von den von Metzlers nicht bekommen hätte - ich hätte ihm was gespendet. Frau Lochte hätte einen solch guten Bericht geschrieben... viele andere hätten auch was gegeben.

Viele Grüße

miljas
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Beitragvon Gast Meer » 14.07.2008, 19:37

Hi miljas,

also Phantasie haste schon und ich musste schmunzeln bei deinem Lösungsvorschlag :-).
Da könnten wir jetzt in die Diskussion ja noch weitere Vorschläge einfließen lassen, denn ganz blöde sind wir ja nicht, gell :-).
Leider, leider kommen diese Ideen aber ja nicht hin bis zu den richtigen Stellen und dieses HÄTTE - WENN und ABER bringt im Nachhinein nun auch nicht mehr viel für diesen speziellen Fall, hoffentlich aber etwas für die Zukunft.

Deswegen, .......halten wir unser Adlerauge weiterhin wachsam ......und wenn wir etwas erblicken, dann melden,

lieben Gruß Meer :-)
Gast Meer
 

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