Heute war Nikolaus




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Heute war Nikolaus

Beitragvon toggle bis 12. Jan. 2012 » 06.12.2008, 23:59

Heute war Nikolaus, das fiel mir grad eine Minute vor Mitternacht noch einmal auf.

Eigentlich wollte ich nur schreiben:

[align=center]Irgendeiner wartet immer.[/align]

...damit ich den Beitrag noch vor Mitternacht absenden kann und mich zur Ruhe begeben.

Da fiel mir eine Geschichte ein. Obwohl, nein, die rumorte schon vorher in meinem Kopf herum. Eine Geschichte, die Seele hat. Eine Geschichte von einer Frau mit einer guten Seele. Eigentlich von zwei oder mehr Frauen, die eine gute Seele haben, also auch zwei oder mehr Geschichten. Es sind zwei (oder mehr) kurze Geschichten (bis jetzt). In einander verwoben. Nicht viel mehr als ein Plot.

Die eine handelt von einer Künstlerin und ihrer Freundin. Die andere handelt von einer anderen Freundin der Künstlerin und derselben Freundin. Weitere Mitwirkende sind die Mutter der Freundin, der Mann der Freundin, die Frau des Bruders der Freundin und schließlich die Wohnungsnachbarin der Mutter der Freundin. Einige der mitwirkenden Personen haben mehr den Charakter von Randfiguren, eine der Personen ist im Lauf der einen Geschichte bereits gestorben. Und schließlich spielt auch noch ein Nikolaus mit. Eigentlich sind es zwei Nikoläuse, aber der erste verleiht der Geschichte den ersten Seelenhauch, und der zweite rundet diesen gewissermaßen ab. Nennen wir die Künstlerin einmal Brunhild, die Freundin nennen wir Krimhild, die Mutter Freundin Walhild, den Mann der Freundin Gunter, die Schwägerin Kunigunde.

Brunhild ist eine Witfrau, die die besten Jahre schon hinter sich hat. Aber sie sieht immer das Gute im Menschen. Sie versteht es meisterhaft, auch den schlimmsten Wendungen noch eine gute Seite zu verleihen. Und sie redet niemals schlecht über andere Menschen. Und eins versteht sie meisterhaft: Sie kann Figuren malen, besonders aber Nikoläuse. Nein, nicht einfach auf Papier, sondern auf entsprechend geformtes Holz. Jedes Jahr zur Adventszeit entwirft sie einen neuen Nikolaus und jedes Jahr verleiht sie ihm einen besonderen Charakter. Mal malt sie einen mit einem roten Grundton, mal einen mit Blauen, auch mal eine Grünen. Und auch die Formen ändern sich. Dieses Jahr war es ein weißer, schlanker, hoher Nikolaus. Wie immer hat auch der in diesem Jahr den gütigen Gesichtsausdruck eines alten Väterchens, wie immer hat er eine ganz andere Silhouette als im Vorjahr, wie immer meint man, er sei wirklich in ein weites Gewand gekleidet, so perfekt versteht es Brunhild, den Faltenwurf des Gewandes zu gestalten.

Vor einem guten Dutzend Jahren hatte sie einmal einen rotgrundigen gemalt, und Krimhild hatte ihn, weil er eine wunderschöne, außergewöhnliche Form hatte, besonders ins Herz geschlossen und viel Geld dafür bezahlt. Ihr Herz hing sehr an diesem Nikolaus, nicht zuletzt weil er sie stets aus einem geheimen Grund einer anderen, bald darauf verstorbenen, lieben Freundin gedenken ließ. Ein Nikolaus also, der an eine tiefe Beziehung gemahnte.

Als Krimhilds alt gewordene Mutter Walhild etliche Jahre später zum Sterben kam, war das nicht ein Sterben so schnell, wie man ein Licht ausbläst. Es war ein langes, langsames Verlöschen, das sich unspektakulär über mehrere Jahre erstreckte. Erst ließ der Körper Walhilds nach und später ihr Geist. Es war gerade so, daß sich das Verhältnis der beiden, Walhild und Krimhild, allmählich umkehrte, die Rollen vertauschten sich, und aus der Mutterrolle Walhilds wurde wieder eine Kindrolle, und die Rolle des Kindes Krimhild ging in eine Mutterrolle über. Denn Krimhild sorgte in der ganzen Zeit des Sterbens mit Hingabe für ihre Mutter und bekam ihre Sorge mit Erleichterung belohnt und gewürdigt, die sie an ihrer Mutter wahrnahm. In diesem Umsorgen ihrer Mutter Walhild stellte Krimhild eines Tages zur Adventszeit auch den rotgrundigen Nikolaus an das Altenbett, damit er über die alte Frau wache. Der Geist von Walhild aber verschleierte sich immer mehr. Und eines Tages, als es Walhild wähnte, ihr Tod würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, gab sie diesen Nikolaus an Krimhilds Schwägerin Kunigunde, statt ihn an Krimhild zurückzugeben. Krimhild kränkte dies sehr. Aber was sollte sie machen? Sollte sie die alte Frau, die da wie ein Kind vor ihr lag und das Bett kaum mehr verlassen konnte, dafür tadeln? Sollte sie den Nikolaus von Kundigunde zurückfordern? Krimhilds Schmerz darüber, daß ihre eigene Mutter ihre Leihgabe an Kundigunde gab, war auch deswegen so groß, weil sich mit diesen Nikolaus eine tiefe Erinnerung an die lang zuvor gestorbene Freundin verband.

Ihren Kummer teilte sie mit Gunter, ihrem Mann, mit. Und wie Männer oft sind, wollte der ihren Kummern lindern und den Nikolaus von Kundigunde zurückerbitten. Er sagte Krimhild nichts davon und sprach nach dem Tod von Walhild mit Kunigunde. Die beteuerte, den Nikolaus von Walhild geschenkt bekommen zu haben. Durch eine Rückgabe wäre nun wieder neues Leid in die Welt gesetzt worden, und so verlief zunächst alles im Sande.

Eines Tages konnte nun Gunter Brunhild einen großen Dienst erweisen. Statt eines Lohnes erbat er sich für Krimhild noch einmal einen solchen Nikolaus, wie den rotgrundigen, den Brunhild vor Jahren für Krimhild gemacht hatte. Brunhild nahm Gunters Bitte an und fragte ihn nach der Form dieses Nikolauses. Weil nun gerade die Zeit vor Advent war, in der Brunhild besonders viele künstlerische Aufträge zu erfüllen hatte, zögerte Gunter die Besorgung der Form hinaus. Brunhild aber machte sich auf anderem Wege kundig, wie diese einst ausgesehen hatte, ohne jedoch etwas darüber verlauten zu lassen.

Als nun Nikolausabend nahte, die Dunkelheit schon hereingebrochen war und Krimhild mit Gunter am heimischen Herd saß, klopfte es laut an ihre Tür. Krimhild öffnete, sah niemanden draußen stehen und - fand auf der Schwelle einen Nikolaus grad wie jenen rotgrundigen, nur diesmal in weichen Weißtönen gemalt, mit goldweißem Haar, glitzernden Sternen auf dem weitschwingenden Gewand und mit einem kleinen Tannenbaum in der Faust. (Ich zeige ihn Euch vielleicht einmal hinter einem der nächsten Adventskalendertürchen.) Die Farbe war schier noch nicht trocken, er roch noch nach frischer Firnis, aber Brunhild hatte den Fuß des Nikolauses signiert: "Für Krimhild von Brunhild zu Nikolaus im Jahre..." stand da zu lesen.

Krimhild war erschüttert und froh zugleich. Erschüttert, daß dieser Nikolaus (auch wenn es nun doch ein anderer war) noch einmal den Weg zu ihr gefunden hatte, froh und glücklich, daß er obendrein noch seine Farbe gewechselt hatte. Den ganzen Abend saß sie in der Stube und starrte den vor ihr auf dem Tisch stehenden Nikolaus an. Vergrabene Erinnerungen brachen sich den Weg in die Gegenwart, Erinnerungen an die vor vielen Jahren verstorbene Freundin, Erinnerungen an die noch nicht so lang verstorbene Mutter und daran, welch wertvolle Zeit sie im Abschiednehmen von der Mutter sie noch gehabt hatte, Erinnerungen an die Kränkung, die jetzt durch den gewandelten Nikolaus geheilt werden konnte. Und sie weinte einige Zeit still vor sich hin. Was sie nicht wußte und worüber Gunter auch jetzt noch schwieg war, ob es Brunhild gewesen war, die ihr diesen Nikolaus gebracht und geschenkt hatte, oder jemand anderes.

Derweil freute sich Brunhild wie eine Schneekönigin, daß ihr die Überraschung am Nikolausabend so gut gelungen war, und im mindesten genausogroß war ihre Freude darüber, daß sie Krimhild - zweifelsohne - eine ebensolche bereiten und Gunters Dienst hatte entlohnen können.

Am nächsten Tag suchte Krimhild noch am frühen Vormittag die Künstlerin Brunhild auf, bedankte sich bei ihr in großer Rührung (denn daß Brunhild den Nikolaus gemalt hatte, daran bestand schließlich kein Zweifel) und erfuhr schließlich auch, daß es Gunter gewesen war, der Brunhild die Idee eingegeben hatte. Wieder zuhause, zankte sie Gunter, daß er am Vorabend geschwiegen und nicht alles erzählt hatte, bis er einsehen mußte, daß er Krimhild durch sein Schweigen in Unsicherheit darüber stürzte, von wem der Weiße letztlich gekommen war.

Später im Laufe des Tages brach Krimhild auf, Hildegund eine Nikolausfreude zu bereiten, der früheren Nachbarin ihrer Mutter, in Gedenken dessen, daß erstere Walhild in den letzten Jahren ihres Lebens in guter Nachbarschaft und lieber Freundschaft verbunden gewesen war. Auf dem Weg dorthin machte Krimhild bei Brunhild Station, um eine handgemalte Grußkarte zu erstehen. Ein Efeublatt mit goldgemalter Widmung hatte sie schon vorbereitet und wollte anschießend bei einem Kaufmann einkehren, um ein Fläschchen Wein für Hildegund zu erstehen. Oder ob Brunhild noch etwas anderes als Wein einfiele, sie, Krimhild, wüßte zwar, daß Hildegund gern einen kleinen Schluck Wein tränke, allein so ein Fläschchen Wein erschiene ihr doch sehr profan, sie wüßte aber im Moment nichts anderes und in die Stadt, wo sie vielleicht etwas originelleres gefunden hätte, wäre sie die letzten Tage nicht gekommen. Eine weitere Freundin Brunhilds, Edelgard, die sich gerade ebenfalls im Atelier der Künstlerin aufhielt, hatte dem Gespräch beigewohnt und ergriff das Wort. Sie habe zuhause noch einige Fläschchen reifen Schlehenlikörs stehen, ob das nicht etwas passendes sei? Sie wohne zwar etwas weiter ab, sei aber mit dem Gespann da und würde Krimhild anschließend zu Hildegund bringen. Krimhild nahm Edelgards Angebot nach kurzem Bedenken gerne an und ließ sich von ihr mitnehmen. Was Edelgard denn von Krimhild für den Likör und die Fahrt bekomme, wollte sie dann wissen. "Ach", spach Edelgard, "von Dir möchte ich gar nichts. Nimm den Likör und die Fahrt als Freudengabe, weil Dein Herz Dich dazu leitet, einer alten Frau, die wenig genug Jahre Deiner Mutter Freundin war, am Nikolaustag gleichfalls eine Freude zu bereiten - ein Dank dafür wird schon auf irgendeine Weise, egal wie, zu mir zurückkommen!"

Bliebe nur noch zu erzählen, daß Hildegund über den Besuch hoch gerührt war und an dem Schlehenlikör ganz besondere Freude hatte, zumal sich ihr Weinvorrat bereits gedeckt befand.

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von Anzeige » 06.12.2008, 23:59

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Beitragvon Harlekin » 07.12.2008, 13:21

Am nächsten Tag suchte Krimhild noch am frühen Vormittag die Künstlerin Brunhild auf, bedankte sich bei ihr in großer Rührung (denn daß Brunhild den Nikolaus gemalt hatte, daran bestand schließlich kein Zweifel) und erfuhr schließlich auch, daß es Gunter gewesen war, der Brunhild die Idee eingegeben hatte. Wieder zuhause, zankte sie Gunter, daß er am Vorabend geschwiegen und nicht alles erzählt hatte, bis er einsehen mußte, daß er Krimhild durch sein Schweigen in Unsicherheit darüber stürzte, von wem der Weiße letztlich gekommen war.


Würde sagen, wo sich Gewohnheit breit gemacht hat und klingt wie das andauernde und gleichmäßige Ticken der Küchenuhr - wo die Liebe sich schlafen gelegt hat (ist sie noch wach-zu-kriegen?) , da kann passieren WAS WILL, egal ob reden oder schweigen - da "scheint" es FALSCH zu sein, da wird gezankt um was auch immer, um alles und jedes - und guter Wille zählt nicht mehr........oder wird schon gar nicht mehr wahrgenommen oder erkannt???

Allerdings IST (oder KANN-SEIN-) "Zanken" (in Bezug auf eine gut gemeinte Absicht) schon ein Schritt der NACH der "Monotonie" (tik-tak-tik-tak-tik-tak) kommt (WummmmmmmmmM-Krach-aufweck - "wasauchimmer") .

Es IST ein SCHRITT!!!! Allemal besser als STILLSTAND!!!

Dennoch, eine schöne Geschichte mit viel Herz,
passend zur Adventszeit!

dank dir fürs einstellen,
dank dir fürs lesen dürfen
Harlekin :t238:
*** STERNE lassen sich nur ungesattelt reiten!!! ***
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Beitragvon Regina » 09.12.2008, 16:55

Eine sehr schöne Geschichte, lieber Toggle, Du wunderbarer Schreiberling, für die ich Dir herzlich danke.
Ich würde mich freuen, mehr von Dir hier zu lesen ...
Mehr ... Meer ... ja, liebe Meer, von Dir auch... und Dir, lieber Narr, und ich weiß ja nicht, wer sonst noch mehr als die Beiträge hier schreibt :-)

Liebe Grüße :)
Reginhild... äh ... na ... Regina
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Beitragvon Meer » 21.12.2008, 10:20

Hallo liebe Regina,

ich komm schon irgendwann wieder, kann nur noch gar nicht richtig aus den Augen schauen vor Erkältung und will nun toggles Geschichte auch erst lesen.

lieben Gruß Meer :-)
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