04.03.2013, 11:44
04.03.2013, 11:44
08.03.2013, 19:37
08.03.2013, 23:00
15.03.2013, 16:53
[/spoil]Martin Buchholz hat geschrieben: Gott sei Dank!
Wir sind nicht mehr Papst!
Alle Jubeljahre wieder, wenn eine neue apostolische Kür
im Vatikan ansteht, heißt es für die gläubige Medienwelt:
„Sehet hinan, der Schornstein raucht!“ Nun, als Bertolt
Brecht diese Zeilen schrieb in seinem Lied von der
verführerischen Wirkung des Geldes hat er wahrscheinlich
nicht an das blakende Ofenrohr der Sixtinischen Kapelle
gedacht, das da seine Feinstaub-Partikel ungefiltert in die
Umwelt emittierte. Die Schadstoff-Belastung war weltweit
zu spüren. Besonders in deutschen Gauen hatte der weiße
Rauch weitgehend die Hirne vernebelt. In den Medien
schwadeten und schwafelten die vatikanischen Ausdünstungen
bis in die letzte publizistische Einzelzelle.
Seit Tagen müssen wir den öffentlich-rechtlichen Fundamentalismus
ertragen. Am Mittwochabend zur besten Tagesschau-Zeit
überzog man das Programm in ungeahnte Längen und zeigte
sich päpstlicher als der Papst: Fanatischer Papismus in Reinkultur.
Da krochen die Intendanten bäuchlings zur Wallfahrt nach Rom
und singen auf allen Kanälen ihr „Halleluja“ zur Lobpreisung eines
reaktionären alten Knackers.
Der Neue ist ein Alter, wie gehabt. Franziskus der Erste. Einer,
der das Folter-Regime der argentinischen Militärdiktatur stillschweigend
abgesegnet hatte. Einer, der vom „Plan des Teufels“ spricht, wenn es
um gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geht. Einer, der sich
auf Verhütung und Abtreibung ebenfalls seine satanischen Verse macht.
Alles wie gehabt.
In seinen ersten apostolischen Botschaften hat er klar gemacht, daß er
nicht ein Jota im Psalm des menschenfeindlichen Dogmas verrücken will.
Nicht ums Verrecken! Und das im Wortsinne, will sagen: Egal, wieviele
Menschen an diesem Dogma verrecken. So zählt er es zu seinen Heiligsten
Vater-Pflichten, die drohende weltumspannende Condomisierung der
katholischen Christenheit abzuwehren. Darf man da nicht schon jetzt mal
ganz leise und schüchtern anfragen, wieviele AIDS-Opfer in aller Welt,
und besonders in Afrika, wohl auf das Leichen-Konto seiner Scheinheiligkeit
gehen werden?
Eine Fruchtbarkeit, die in der Dritten Welt zur Furchtbarkeit wird: Ihr
Kinder, verkommet! Der Missionar wird schon für ein christliches
Begräbnis sorgen – vorausgesetzt, daß das Kind noch rechtzeitig getauft
werden konnte. Dafür hat man schließlich Priester, um für einen würdigen
Abgang aus dieser Welt zu sorgen.
16.03.2013, 12:48
18.03.2013, 13:27
19.03.2013, 08:57
21.03.2013, 10:24
22.03.2013, 23:25
[/spoil]Martin Buchholz hat geschrieben:
Vermischte Nachrichten
mit gemischten Gefühlen
Anfang der Woche erreichte mich eine E-Mail,
die ich verspätet aus dem Spam-Eimer fischte,
wo sie aus virtuell-geheimnisvollen Gründen
gelandet war (eine elektronische Vorzensur
meines Post-Eingangs, die ich seufzend erdulde).
Man fragte mich an, ob ich anläßlich der Proteste
gegen den Abriß der Mauer an der East-Side-Gallery
nicht auch etwas kundgeben wolle. Nun hatte die
Aktion ja an sich schon einen hohen satirischen Wert.
Ging es doch darum, daß einzelne Stücke der Rest-Mauer
entfernt werden sollten, um einen Übergang zu schaffen
zu Luxus-Apartment-Bauten, die ein Groß-Kapitalist auf
dem Grundstück dahinter plant. Endlich erkannten die
Berliner den Sinn dieses antikapitalistischen Schutzwalls.
Wer hätte je geglaubt, daß Tausende von Ossis und
Wessis gemeinsam gegen die Maueröffnung demonstrieren.
Da konnte ich nur noch nostalgisch seufzen: Zu spät,
zu spät...
+++
...
+++
Gerade ist in den USA ein Dokumentarfilm erschienen mit
dem Titel: „The Unknown Known: The Life and Times of
Donald Rumsfeld“. Anlaß ist der Irakkrieg, der sich in diesen
Tagen zum zehnten Mal verjährt hat. Dieser Krieg wurde ja
begonnen in dem sicheren Wissen von etwas Ungewissem
– eben the unkown known –, daß nämlich Saddam Hussein
irgendwo in den weiten Wüsteneien seines Reichs
Massenvernichtungswaffen gebunkert haben sollte. Damals
konnte die US-Regierung nicht ahnen, was ansonsten alle Welt
wußte. Hatte doch der hinterhältige Diktator diese
Massenvernichtungsmittel gemeinerweise schon vorher massenhaft
vernichten lassen. Und das alles nur, um die Amerikaner hereinzulegen.
So hatte er ihnen niederträchtig wie er war in dreister Weise
den Kriegsgrund rauben wollen.
Daß die US-Regierung auf eine solch unerhörte
Provokation in aller Härte reagieren mußte, war all jenen
klar, die auf die unverbrüchliche Freundschaft mit dem
amerikanischen Brudervolk eingeschworen waren. Dazu
gehörte auch Angela Merkel, die sich als frühere
FDJ-Sekretärin mit unverbrüchlicher Freundschaft zu einem
Brudervolk auskannte. Nur, daß sie inzwischen das Brudervolk
gewechselt hatte. Sie wäre ja damals am liebsten mit den
Amis in den Irak einmarschiert. Blöderweise war sie zu jener
Zeit noch nicht Kanzlerin, weshalb sie ohnmächtig zusehen
mußte, wie die damalige Bundesregierung ihren Freund
George Bush und seinen Kriegsminister Rumsfeld schmählich
in Stich gelassen haben.
Diesen Donald Rumsfeld hatte man in unserem Old Europe
meist nur als polternden Komißkopp wahrgenommen. Doch
ich hatte schon früh erkannt, daß sich hinter seiner betonharten
Stirn das philosophische Hirn eines großen existentialistischen
Dichters und Denkers verbarg. Im US-Magazin „Newsweek“ fand
ich damals einen Text aus Rumsfeldscher Feder zum Thema
unergründlicher Kriegsgründe. Gedanken über das bewußte
Nichtwissen, deren Bedeutungsschwere und Sinnentiefe jeden
abendländischen Intellektuellen in ein abgründiges Grübeln
versetzen mußte.
Ich hatte mich erkühnt, diesen Prosa-Text aus dem
Prosaischen ins Lyrische zu transponieren. Im freien Zeilenfall
war die Kühnheit, ja, die Unerhörtheit dieser philosophischen
Eingebung besser zum Klingen zu bringen:
There are known knowns.
These are things
we know that we know.
There are known unkowns.
That is to say, these are things
that we know we don’t know.
But there are also unknown unknowns.
These are things
we don’t know we don’t know.
Die expressive Wucht und die dichterische Schönheit
dieser Worte haben mich tief berührt. Eine philosophische
Lyrik, die sich in ihrer ganzen Heideggerschen Unerklärlichkeit
wohl nur im Ur-Text offenbart. Wie könnte man die
minimalistische Kargheit eines Sprachbildes
wie „unknown unknowns“ in ein deutsches Know-how
übersetzen? Ich wagte es dennoch. Allerdings mußte ich mich
mit einer etwas freieren Nachdichtung behelfen, die zwar nicht
den lyrischen Tonfall, aber doch den Sinn rettete, sofern da
einer gewesen sein sollte:
Da gibt es ein gewisses Wissen.
Ein Wissen
von dem wir wissen, wir wissen’s.
Und es gibt ein gewußtes Unwissen.
Ein Ungewisses,
von dem wir nichts Gewisses
nicht wissen,
dies aber wissen wir ganz gewiß.
Und es gibt ein ungewisses Nichtwissen.
Ein Un-Gewissen,
mithin ein Gewissen,
von dem wir nichts wissen.
Aber das wissen wir nicht.
Und wollen’s nicht wissen.
Sie merken: Im Deutschen geht allein durch den
Mehrverbrauch an Sprache etwas von der klaren Umnachtung
des Original-Textes verloren. Wobei die Frage auftaucht:
Was ist eigentlich das Original? Ich will hier wahrlich keine
Plagiats-Beschuldigungen gegen Donald Rumsfeld erheben
– das wäre mir zu gefährlich; wer will schon in sein Schußfeld
geraten... – aber könnte es nicht sein, daß dieser
deutschstämmige Donald sich von einem meiner Bücher
hat inspirieren lassen?
Schon in meinem Machwerk „Wir sind, was volkt“ habe ich
mich im Rumsfeldschen Sinne mit dem Wissen und dem
Ungewissen beschäftigt. Mein Fazit war, daß man in unserem
Lande eher mit dem Ungewissen rechnen muß als mit dem
Gewissen. Denn zu einem Gewissen gehört zunächst ein
gewisses Wissen – und davon will man meist gar nichts
wissen. Man vertreibt das Wissen – hinfort ins Ungewisse.
Also heißt es: Geh, Wissen!
23.03.2013, 11:15
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