Coco hat geschrieben:P e a c e !
Horst Buchholz hat geschrieben:
Der Wähler hat entschieden
Uff! Aus und vorbei! Finito! Die Wahl ist gelaufen – zumindest für mich.
Ein Kreuz – und danach drei Kreuze!
Ich habe das Kreuz, das ich später zu tragen habe wie jeder Wähler,
schon in der vorletzten Woche hinge-ixt. Man hatte extra für mich
in einem weit abgelegenen Rathaus eine Wahlkabine aufgebaut,
wo ich ungestört von den Blitzlichtern der Polit-Paparazzis meine
Entscheidung einschlitzen konnte. Danach bin ich ausser Landes
geflüchtet, falls meine Wahlentscheidung vorzeitig bekannt werden
sollte und irgendein Kandidat mich zur Rechenschaft ziehen wollte.
So hocke ich hier in einem Café irgendwo an irgendeiner Riviera
(in diesem Fall einer türkischen) und labtoppe vor mich hin.
Gerade jaulen und jammern Heerscharen von Muezzins per
Lautsprecher von mindestens tausend Minaretten im Umkreis.
Ein trommelfellzerreissender Wettkampf um die Stimmführerschaft
im islamistischen Phon-Terror.
Von Stimmführerschaft kann man in meinem Fall wohl nicht
sprechen – zumindest nicht, wenn es um politische Wahlen geht.
Fragen Sie mich nicht, was ich gewählt habe. Meine Entscheidung
ruhet in Frieden in einer staatlichen Urne, und über Verblichene soll
man nichts Schlechtes reden. Denn, ganz unter uns, meine
Entscheidung hatte zu Lebzeiten eine ziemliche Schizo-Macke.
Bei mir wusste die Erststimme nicht, was die Zweitstimme tat.
Ich habe es auch vor beiden strikt verheimlicht. War schließlich ‘ne
geheime Wahl.
Vorsichtshalber habe ich beide Stimmen abgegeben. Ich wollte sie
nicht ständig mit mir herumschleppen. Und ich fühle mich ohne sie
auch viel besser. Das Gezänk zwischen den beiden war nicht mehr
auszuhalten; sie waren einfach zu widersprüchlich.
Ich glaube nicht, dass meine Stimmen sehr viel Unheil anrichten
werden. Bei früheren Wahlen las und hörte man ja des Öfteren,
dass Wähler ihre Stimme ganz falsch abgegeben hätten. Die hatten
zu Risiken und Nebenwirkungen nicht rechtzeitig ihre zuständige
Kanzlerin befragt. Besonders viele Ost-Stimmen waren von dieser
Fehlentscheidung betroffen, weil etliche Ossis auch nach über 20 Jahren
Übungsmöglichkeit noch immer nicht richtig wählen gelernt haben
und ihr Kreuz frech an eine Stelle machen, wo es einfach nicht
hingehört. Darüber empört sich dann mancher anständige
West-Politiker mächtig und kriegt vor lauter Ärger Pickel.
Deshalb nennt man diese Stimmen ausschlaggebend.
Für mich jedenfalls findet kein Wahlkampf mehr statt. Aller
Stimmen bar und mithin unbeschwert schippere ich derzeit mit meiner
Liebsten und mit einer Gruppe englischer Freunde auf einem großen
türkischen Segelkahn, einem Gulet, durch einsame Buchten. Nur
gelegentlich erwacht mein politisches Gewissen. Dann pinkele ich dem
Herrn Erdogan frech in seine Hoheitsgewässer. (So’n bisschen
Widerstand kann ich mir denn doch nicht verkneifen, auch wenn die
Rebellion arg verwässert ist.)
Doch eines muss ich Ihnen zur Wahl noch sagen, damit es später nicht
zu unangenehmen Verwechslungen kommt: Wenn Sie irgendwann in der
unerbittlich nahenden Wahlnacht die anklagende Verkündung hören
„Der Wähler hat entschieden!“ – , dann dürfen Sie davon ausgehen:
Der Wähler, der da entschieden haben wird, werde garantiert nicht ich
sein. Ich bin schon jetzt absolut sicher: Das wird mal wieder ein anderer
Wähler gewesen sein.
Martin Buchholz hat geschrieben:Schon wieder:
Die SPD muss mal!
Nach der Wahl steht nun der SPD die Nachwahl bevor:
Entweder Große Koalition oder Verweigerung mit
anschließender Neuwahl. Soll keiner sagen, die
Entscheidung sei alternativlos. Ist es doch eine Wahl
zwischen Strychnin und Zyankali. Und schließlich gibt
es gerade in der SPD sehr unterschiedliche Geschmäcker.
Die Basis stellt sich zur Zeit noch weitgehend bockig an.
„Die SPD ist grundsätzlich unwillig“, kommentiert die
„FAZ“, aber: „Sie wird das Wollen lernen müssen.“
Eine Basis, die soviel Schiss hat, muss zwangsweise aufs
Töpfchen gesetzt werden, auch wenn sie verdruckst behauptet:
„Ich kann nicht!“ Sie hat so lange auf dem Topp
sitzenzubleiben, bis sie ganz freiwillig ausruft:
„Ich muss mal!“ Dann ist sie in Topp-Form für die Kanzlerin.
Nun tagt heute kurz vor der schlaflosen Nacht ein
SPD-Parteikonvent, der ganz unkonventionell einen
Basisentscheid über den Eintritt in eine Große Koalition
beschließen soll. Vorstandsmitglied Ralf Stegner begründet
das bei dpa mit den Worten: „Wenn wir am Ende etwas
machen, was wir nicht wollen, aber müssen, geht es gar
nicht anders.“
Oder – noch einmal „FAZ“: „Was die SPD braucht,
ist der Mut zum Wollen, der angesichts der Notwendigkeiten
zugleich ein Mut zum Müssen ist.“
Oder – ins Buchholzsche übersetzt:
Kein Missmut darf die letzte Wahl gefährden
Aus Missmut muss der Mut zum Müssen werden.
Der Muss-Mut führt dann irgendwie
zur Muss-Wahl der Miss Germany.
Ne Miss-Wahl. Damit muss man leben,
dass es ‘ne falsche Wahl ist, eine Misswahl eben.
So ist es nun mal, wenn man mit ‘ner Miss muss.
Das Ganze nennt sich: Sozi-Masochismus.
+++
Zu dem seltsamen Zusammenspiel koalitionärer
Hilfsverben habe ich schon mal ein paar Spottverse
verfasst. Das las sich damals so:
Gleich nach der Wahl beginnt die Qual.
Die Frage lautet allemal:
Wie läuft es nun prozentual?
Wer könnte eigentlich mit wem?
Soll heißen: Könnte der mit dem?
Beziehungsweise: die mit der?
Muss gar ein flotter Dreier her?
Da müssen welche miteinander pennen,
die miteinander gar nicht können,
die auch nicht wollen, aber sollen.
Man kann nicht und man will nicht können
und trotzdem muss man können wollen.
Das macht die künftigen Regenten
zu potentiellen Impotenten.
Zum Kopu- wie zum Koalieren
mangelt es allen am Gelüste.
Man kann nun mal nicht e-regieren,
nur weil man’s wollen sollen müsste.
Gern will die Qual ich jenen gönnen,
die da nicht können und nicht wollen.
Sie sind verdammt, wollen zu sollen,
weil sie halt glauben, dass sie’s müssten...
Ach, wenn die Nichtkönner doch wüssten,
was sie mich – und zwar heftig – können!
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